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14.06.2013

Luft zum Schneiden

Bericht von Leopold Obermeier

EuroCloud.Austria wurde zur fünften Chinese Cloud Computing Conference 2013 (CCCC2013) von 4. bis 6. Juni 2013 im Chinese National Convention Center in Peking eingeladen. Die Einladung erfolgte durch das Chinese Institute of Electronics (CIE) unter Führung von Dr. Forest Lin.

Auf Seiten der EuroCloud Europe reiste eine 15-köpfige Delegation unter Führung von Bernd Becker, dem Vorstand von Eurocloud Europe, an. Weitere Teilnehmer kamen aus Italien, Holland, England und Finnland.

Schon bei der Anreise vom Pekinger Flughafen mussten wir feststellen, dass Peking anders ist als Wien, die Luft war zum Schneiden, hohe Luftfeuchtigkeit und die Distanzen vom Flughafen zum Veranstaltungszentrum nächst dem Olympia Park gewaltig. Es war wie eine Reise von Schwechat nach St. Pölten, aber mitten durch Wien und mit gefühlten zwei Millionen Autos um uns herum. Später mussten wir feststellen, dass sich der Stau von der Straße am Abend in das Internet verlagert.

Auch das Konferenzzentrum präsentierte sich bombastisch, trotz des grauen Smogs – die Konferenz mit rund 4.000 Teilnehmern war in einem Winkel des Zentrums untergebracht, neben der größten Weinmesse des Landes und einer Messe für Früchte. Nach den Ansprachen von diversen Größen der lokalen und internationalen Anbieter sichteten wir die Ausstellungsfläche, wo wir sofort auf sprachliche Barrieren stießen. Zum Glück wurde uns eine Übersetzerin zur Seite gestellt, die uns im Dickicht der horizontalen und vertikalen Striche, die die chinesische Schrift darstellen, weiterhelfen konnte. Neben den altbekannten, üblichen globalen „Verdächtigen“, also Microsoft, EMC, Intel, Citrix, trafen wir auch auf viele Protagonisten einer florierenden lokalen Anbieterschaft, die uns bereitwillig Auskunft über ihre Produkte gaben. Bei der Key Note im Plenum konnten wir bereits feststellen, dass sich viele der Unternehmen mit Big Data und den dazu erforderlichen Zutaten wie Datenbanken, performanten Storages und Analysewerkzeugen beschäftigten. Schnell lernten wir auch, dass wir es hier nicht mehr mit Big Data zu tun hatten, sondern in Wirklichkeit mit ‚Massiv Data‘, also jenseits von 1 PB an Datenmenge pro Datenbank. Ein Beispiel: In drei Jahren wurden 10 PB an Daten von 200.000 Verkehrsüberwachungskameras gesammelt, dabei wurden die Kennzeichen erkannt und die Fahrstrecke der Fahrzeuge aufgezeichnet. Jede individuelle Fahrt kann binnen zehn Sekunden dargestellt werden.

Ein Besuch am Stand von Baidu, dem „chinesischen Google“, brachte beachtliche Erkenntnisse, Baidu bedient zehn Prozent der weltweiten Internetsuchanfragen und wird in 15 Datacentern in China betrieben.

Obwohl Facebook, Twitter und Co. in China verboten sind, gibt es chinesische Pendants, die denselben Nutzen liefern. So wird Facebook zum Beispiel zu Facishare, aber auch einige andere Produkte stehen zur Verfügung, wodurch paradoxerweise ein Wettbewerb der Anbieter besteht, den wir in Europa längst erledigt haben.

Ansonsten kann man sagen, dass das Angebot an Cloud in China noch sehr stark IaaS- und PaaS-lastig ist, PaaS wird im Speziellen zum Programmieren von Apps auf IPhone und Android angeboten. SaaS findet sich noch sehr selten, was sich auch dadurch erklären lässt, dass viele Dinge in China noch per Hand erledigt werden, die in Europa längst automatisiert sind; selbst elektronische Kassen sind eher eine Seltenheit – man schreibt Belege mit der Hand. Hochgradig automatisiert war jedoch die Toilette in meinem Hotelzimmer, doch dies ist eine andere Geschichte…

Ein Vortrag hat mir besonders gefallen: SoHoMo, ein Anbieter, der Lösungen für Small Office, Home Office und Mobile Office im Portfolio hat, zeigte eine komplette Umgebung für Familien, in der man seine Musik, seine Videos, Bilder und alle Arten von Dokumenten ablegen und mit anderen Familienmitgliedern teilen kann. Man kann Freunde einladen, in der Plattensammlung zu wühlen, oder sein virtuelles Briefmarkenalbum herzeigen. Eine nette Lösung, jedoch auch eine Fundgrube für Marketiers, um punktgenau Werbung zu platzieren.

Als Fazit kann man sagen: China hat einen Inlandsmarkt von 1,3 Milliarden Menschen, der, wenn schon nicht dieselbe Sprache, dann zumindest dasselbe Rechtssystem und dieselbe Kultur hat. Chinesische Unternehmen zeigen kein wirkliches Interesse, ihre Angebote nach Europa auszuweiten, die meisten Aussteller hatten nicht einmal englische Visitenkarten oder gar Unterlagen über ihre Produkte. Sie sind aber andererseits an der EuroCloud Zertifizierung interessiert, und auch Privacy ist ihnen ein Anliegen und wird immer wieder von den Anbietern betont.