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25.04.2012

Telekommunikation & IT-Report: Dienste aus der Wolke

Cloud Computing überzieht die Wirtschaft mit flexiblen IT-Diensten. Welche Gründe dafür sprechen. Experten und Dienstleister der zweiten Cloud-Generation im Gespräch.

Nach der Steinzeit kam der Hype um Kupfer und schließlich setzte sich Eisen am weltweiten Markt durch. So ähnlich könnte es damals zugegangen sein − wenn auch in größeren Zeiträumen, als sich in nur einem Satz beschreiben lässt. Die Steine, das waren in der Informationstechnologie vor zehn bis 15 Jahren noch verstreute Softwareinstallationen und Geräteparks in den Unternehmen, die nicht nur teuer erworben, sondern auch ständig gewartet werden mussten. Die Krux dabei: Je länger IT-Equipment eingesetzt wurde, desto fehleranfälliger und schwerfälliger erwiesen sich die Lösungen. Dem kurzen Aufflackern flexiblerer Abrechnungsmodelle über sogenanntes Application-Service-Providing folgte nicht die erhoffte Revolution. IT-Kunden mussten sich bis zum jüngsten Hype rund um Cloud-Computing gedulden. IT-Services und Ressourcen aus der Wolke können nun endlich das einhalten, was die Branche den Unternehmen seit Jahrzehnten verspricht: Einfachheit. Flexibilität. Kostenwahrheit.

Ein vielleicht archetypischer Vertreter dieser neuen IT-Service-Generation ist gerade einmal einen Monat jung. Im März startete der Cloudanbieter und Berater Amaris am heimischen Markt. In einem Management-Buy-out aus dem IT-Konzern Thales hervorgegangen, setzen die Geschäftsführer Reinhard Wachmann und Arthur de Pauw voll auf den Trend zur Wolke. Dass dabei Cloud Computing mehr eine Gangart als ein fixfertiges Produkt ist, beweist die Struktur und Herkunft der Servicepalette der beiden Experten. Damals, bei Thales, hieß das IT-Geschäft noch Outsourcing. Den Kunden wurden Software- und Hardwareleistungen quasi über eine manuell bedienbare private Wolke erbracht. Mit flexibleren IT-Plattformen – Storage von EMC, Cloudplattform und Virtualisierung by VMware, Unified-Communication-Features made in Cisco. Aufgesetzt auf die zweite Generation an Plattformen und Werkzeugen für die Cloud sind nun entsprechende Services zu IT-Security, Backup-Lösungen, Collaboration, Speicher und Prozessorleistung verfügbar. Betrieben wird die mächtige Angebotsvielfalt im Fort Knox der Colocationindustrie bei Interxion. Was nun der große Unterschied zu den Services der Vergangenheit ist, erklärt Wachmann: »Hier wurde nicht ASP einfach nur umbenannt, sondern all diese Dienste extrem flexibilisiert.« Biegsamkeit bedeutet für die Unternehmen, Ressourcen und Leistungen jeder Art auf die Session genau im Stundentakt abrechnen zu können. CRM-Funktionalitäten für den Kundenverkehr, die schrittweise über das gesamte Unternehmen ausgerollt werden sollen? Ein paar Praktikanten, die im Sommer für vier Wochen voll ausgestattete Arbeitsplätze benötigen? Kein Problem. »Welches Unternehmen weiß schon, wie sein Geschäft am Ende des Jahres aussieht?  Geschweige denn, die IT-Ausgaben für die kommenden fünf Jahre durchplanen zu können – mit Clouddiensten brauchen wir keine Vorausplanungen mehr«, bekräftig de Pauw.

Beratung vonnöten

Das Angebot an kostenattraktiven und sinnvollen Cloudlösungen wird von Tag zu Tag größer. »Genau diese Unüberschaubarkeit und die vielen ähnlichen Lösungen führen für IT-Verantwortliche in KMU unter Umständen zu einer Situation, wie wenn man in ein Kaufhaus geht, um eine Hose zu kaufen und von dem Angebot an 500 verschiedenen Hosen plus Zubehör völlig erschlagen wird«, vergleicht  Tobias Höllwarth, Gründungsmitglied der Branchenplattform EuroCloud Austria. Er rät Unternehmen, sich vor einem Einkauf gut zu überlegen, was der erwartete Nutzen einer Lösung sein soll. »Brauche ich eine Hose für den Winter oder den Sommer, soll sie elegant oder strapazierfähig sein, möchte ich sie täglich nutzen oder einmal im Jahr?«, überlegt Höllwarth. Für ihn ist das Geschäft mit der Wolke vor allem ein Beratungsgeschäft, da Unternehmen zur Beurteilung von IT-Services sowohl ihre eigenen unternehmerischen Leistungen und Prozesse gut kennen als auch die kleinen, feinen Unterschiede zwischen den technischen Offerings erkennen sollten. »Hier sind viele IT-Abteilungen überfordert und durch die Anforderungen des täglichen IT-Betriebs, den es auch aufrecht zu erhalten gibt, betriebsblind. Externe Betreuung macht hier Sinn, um ein anderes Bild zu bekommen.«

Statements zur Wolke

Alexander Spörker, Country Manager VMware Austria

»Die Unternehmen möchten mittels ihrer IT die Effizienz aus ihren bestehenden Systemen und Investitionen erhöhen und damit mehr Freiraum für Dienste und Leistungen schaffen, die einen Mehrwert für das Unternehmen liefern. Skaleneffekte und flexible Verrechnungsmodelle ermöglichen den Unternehmen, die Investitionskosten und auch die Betriebskosten zu senken. Die Verfügbarkeit von Miet-Services wie beispielsweise »Backup in die Cloud« oder »DisasterRecovery in die Cloud« und auch Software-as-a-Service-Angebote schaffen auch für KMU bisher nicht vorhandene Möglichkeiten im täglichen Betrieb und fördern damit die Agilität und Wettbewerbsfähigkeit.“

Thomas Hohenauer, Geschäftsführer Tieto Österreich

»Ich sehe vor allem im Bereich Private Cloud wenig Unterschied zu den derzeit modernen Outsourcing-Services. Flexible Abrechnungsmodelle wie »Pay per Use« sind inzwischen schon die Norm. Dadurch können Kunden sehr schnell auf veränderte Situationen eingehen. Tieto bietet hier eine Vielzahl von Pay-per-Use-Services an − von Business Process- und Infrastructure-Management, über Unified Communciation bis zum Betrieb von SAP in der Cloud. Hier entstehen neue Ecosysteme und wir sehen uns hier sehr stark als eine Art Broker und Integrator der verschiedenen Services. Dabei ist es wichtig, diese Services sicher und nachhaltig mit vorhandenen Prozessen und Applikationen zu verbinden. Nur dann kann der Mehrwert für das Unternehmen sichergestellt werden. Die Geschwindigkeit, wie und wann diese Systeme vernünftig in einem Unternehmen genutzt werden können, wird eine wesentliche Rolle spielen.«

Wolfgang Traunfellner, Country Manager Austria, Citrix Systems

»Keine Technologie beschäftigt die IT so nachhaltig wie Cloud Computing. Zu Beginn als leerer Modetrend abgetan, hat sich die flexible Bereitstellung von Anwendungen, Ressourcen und Daten via Internet zum beherrschenden IT-Thema des letzten Jahres entwickelt. Zahllose Lösungen, Anbieter und Produkte erwecken den Anschein, Cloud Computing habe den Höhepunkt seines Lebenszyklus erreicht. Doch mit der breiten Akzeptanz der Technologie und ihrer zunehmenden Anwendung hat die Reise für Cloud Computing eben erst begonnen. Die Frage, die sich Unternehmen heute stellen müssen, lautet nicht mehr »Setzen wir Cloud Computing ein?«, sondern »Wie setzen wir Cloud Computing ein?«. Vertrauten Unternehmen bisher entweder auf einen Public- oder auf einen Private-Cloud-Ansatz, steigt nun die Beliebtheit von Hybridmodellen, welche die Vorteile beider Systeme verbinden und so enormes Entwicklungspotenzial bieten. Cloud Computing ist also noch lange nicht am Höhepunkt seiner Entwicklung angelangt, sondern hat eben erst die erste Lebensstufe hinter sich. Ein Ende der Wolkenfront ist demnach noch lange nicht in Sicht.«

Achim Deboeser, General Manager EMEA Central Region Informatica

»Cloud Computing ist das IT-Trendthema für Unternehmen. Forrester fand heraus, dass die Ausgaben für die Nutzung der Cloud bei Unternehmen vier- bis sechsmal schneller wachsen als die des gesamten IT-Marktes. Grund dafür sind die Vorteile, die die Cloud mit sich bringt. Unternehmen bearbeiten und speichern ihre Daten nicht länger lokal, sondern auf einer externen Infrastruktur, auf die immer und überall zugegriffen werden kann. Unternehmen profitieren dabei von Geschäftsproduktivität, Kosteneinsparungen, Flexibilität und Wettbewerbsvorteilen. Doch die Cloud birgt auch Risiken. Die Verantwortung der CIOs ist nicht mehr nur auf die Vorgänge innerhalb der vier Unternehmenswände und der Firewall beschränkt, sondern reicht über diese Grenzen hinaus. Durch den Mix aus Cloud und standortbezogener Realität werden Unternehmen damit konfrontiert, sowohl die Daten aus der Cloud als auch die der standortbezogenen Technologie integrieren zu müssen. Denn nur ein solches hybrides Modell ermöglicht Unternehmen, ihren gesamten Datenbestand kontrollieren zu können.«

Achim Kaspar, General Manager Cisco Austria

»Cloud Computing ist ein wichtiger Paradigmenwechsel im Bereich der IT und eröffnet ganz neue Möglichkeiten. Die Basis bildet ein ganzheitlicher Systemansatz: Dieser vereint sämtliche Netzwerk-, Speicher- und Rechnerressourcen mit allen Diensten, Applikationen und Endgeräten zu einem gemeinsamen Cloudsystem. Das Fundament dafür bildet das Netzwerk, da es alle Elemente der Cloud-Architektur miteinander verbindet. Dabei geht es aber nicht nur den Umbau der IT, sondern auch um die Entwicklung darauf aufbauender Cloud-Lösungen zur Optimierung von Businessmodellen und der Geschäftstätigkeit. Performance und Ausfallschutz für kritische Clouddienste kann nur das Netzwerk garantieren.«

Peter Garlock, Vertriebsdirektor Cloud Computing, IBM Österreich

»Der inflationäre Gebrauch des Begriffes hat viel zur Verwirrung beigetragen. Eine Cloudlösung ist aber nur dann gegeben, wenn folgende Elemente zum Einsatz kommen: Virtualisierung, Provisionierung, Automatisierung und Self-Service. Damit geht aber auch einher, dass Cloud jetzt nicht die Lösung für alle Herausforderungen ist. Aber Mobilität und soziale Netzwerke sind die Treiber hinter der raschen Entwicklung dieses immens wachsenden Geschäftsfeldes. Die öffentliche Diskussion wendet sich vor allen den Public Clouds zu, aber die geschäftliche Umsetzung ist derzeit − aus guten Gründen − eher bei den Private Clouds, also bei einer Lösung, die im Rechenzentrum des Kunden läuft. Ich gehe aber davon aus, dass man in Zukunft in der Geschäftswelt mehr hybride Lösungen sehen wird, also die Verbindung beider Welten.  Der Einsatz dieser Technologie ist aber nur dann erfolgreich, wenn er aus der Geschäftsstrategie entwickelt wird, Technologie um der Technologie willen ist da kein guter Ratgeber.«

Quelle